Zwei Geschichten aus zwei Städten

Yarden Frankl, HonestReporting, 24. August 2015

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Ein Jahr nach dem Ende der Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen brachten sowohl die New York Times als auch die Washington Post einen Artikel über die gegenwärtige Lage in Gaza. Keiner der beiden Artikel ist faktisch inkorrekt, aber es ist offenbarend zu sehen, worauf jedes Blatt seine Aufmerksamkeit legt.

Für die New York Times ist das Leitthema, dass die Palästinenser in den Ruinen ihrer während des Konflikts zerstörten Häuser leben. Es gibt wenig Arbeit, wenig Geld und sehr wenig Wiederaufbau. Die Schlagzeile sagt klar:

Ein Jahr nach dem Krieg hocken die Menschen von Gaza immer noch zwischen Ruinen

Ein Jahr nach dem Krieg hocken die Menschen von Gaza immer noch zwischen Ruinen

Zweifellos gibt es bei diesem Ausmaß der Zerstörung, der Korruption der Hamas und der fortbestehenden Notwendigkeit, die Hamas von der Wiederbewaffnung und dem Neubau von Tunnels abzuhalten, ernsthafte Beeinträchtigungen des Wiederaufbaus.

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Aber gilt das immer noch für ALLE Menschen im Gazastreifen, dass sie „noch immer zwischen Ruinen hocken“?

Hier die Schlagzeile der Washington Post:

Mittelschicht im Gazastreifen hat Spinning-Klassen, feine Restaurants, private Strände

Mittelschicht im Gazastreifen hat Spinning-Klassen, feine Restaurants, private Strände

Der Artikel beschreibt, wie Gazas kleine Mittelschicht ein Leben genießt, das viele als luxuriös bezeichnen würden. Sushi-Bars, Schönheitsfarmen, Luxusautos und Strandvillen sind Normalität für dieses kleinen Teil der Bevölkerung Gazas. Zwar sollten die Bilder privilegierter Palästinenser, die in Hightech-Sportstudios trainieren oder in Dachrestaurants speisen, nicht als beispielhaft für ganz Gaza gesehen werden, aber die bloße Tatsache, dass sie existieren, ist gut zu wissen.

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Natürlich sagt die Washington Post, dass sich die Lebenswirklichkeit der meisten Palästinenser in Gaza stark davon unterscheidet:

Kein einziges der 18.000 im letzten Krieg zerstörten Häuser ist bewohnbar. Der Wiederaufbau kommt nur schneckenhaft voran. Zement vom Schwarzmarkt ist die Währung in diesem Gebiet. Die Arbeitslosigkeit in Gaza liegt mit 43% weltweit am höchsten — diese Zahl geht auf die Weltbank zurück, die „Blockaden, Krieg und schlechte Regierung“ als Ursache dafür anführt, dass sich Gazas Wirtschaft am Rande des Zusammenbruchs bewegt. Fast 80% der 1,8 Millionen Bewohner des Gazastreifens erhalten soziale Hilfen.

Aber die mit Gelder aus Katar restaurierte Küstenstraße hat jetzt Grand Motors, einen Autohändler mit reihenweise funkelnder und brandneuer Mercedes-Benz-Limousinen.

Über einen Kilometer weiter bezahlen Gazaner im neu eröffneten Techno Gym ca. 100 Dollar im Monat für eine All-inclusive-Mitgliedschaft. Dort gibt es Kardiotraining, Hydrotherapie, Spinning-Klassen, Schwimmunterricht und topmoderne Weight Machines, die aus China importiert wurden, wegen des Krieges jedoch zwei Monate im Zoll in Tel Aviv feststeckten.

Die Situation in Gaza ist fürwahr komplex, und es gibt dort viele Ursachen für die Probleme. Aber die Medien haben die Verpflichtung, alle Facetten des Lebens zu zeigen versuchen zu müssen, damit die Leser nicht glauben, dass die Bilder, die sie sehen, repräsentativ für das ganze Gebiet sind.

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