Posted tagged ‘Neda Agha-Soltan’

Irans Press TV dicht machen

2. Dezember 2011

HonestReporting Media BackSpin, 2. Dezember 2011

Redefreiheit hat selbstverständlich eine elementare Qualität, aber nicht, wenn sie von einem Medienunternehmen missbraucht wird, um staatlich geförderte Propaganda zu betreiben. Und wenn das Unternehmen in London ansässig ist, gibt es keinen Anlass seitens der britischen Regierung, dem iranischen Propagandawerkzeug Press TV weiterhin Gastfreundschaft zu gewähren.

Nach der Erstürmung der britischen Botschaft in Teheran fordert Houriya Ahmed in der Times of London  dazu auf, Press TV abzuschalten (Registrierung erforderlich [bd]).

Hier ist – wenn auch inoffiziell – ein Arm der Islamischen Republik am Werk, dessen Bestrafung die britische Ablehnung dokumentieren könnte: Der Betrieb von Press TV in London sollte eingestellt werden.

Im Jahr 2007 als „Alternative“ zu westlichen Medien gestartet, ist Press TV ein englischsprachiger Satelliten-TV-Kanal mit Sendelizenz in Lizenz in London. Er wird vom iranischen Regime finanziert und fungiert als dessen Sprachrohr. Muslimische und nichtmuslimische Moderatorinnen sind angehalten, vor der Kamera bei Übertragungen aus London das islamische Kopftuch zu tragen.

Die Realität wird verzerrt wiedergegeben und Berichte zugunsten der Agenda des iranischen Regimes manipuliert. Die Korrespondentin Jody Sabral quittierte kürzlich aus Protest über die Art und Weise, wie Press TV über die Aufstände in der arabischen Welt berichtete, ihren Dienst. Sie geißelte den Kanal wegen dessen größtenteils ignoranter Berichterstattung zum Protest in Syrien, einem Verbündeten des Iran, während gleichzeitig eine „vordringliche“ Berichterstattung über schiitische Proteste in Bahrain erfolgte – wohl kaum ein Zufall, zumal der Iran ein Interesse daran hat, die Unruhen dort zu schüren, um [dort] seine Machtbasis zu verbreitern.

Die Grüne Revolution und die Ermordung Neda Agha Soltans durch regimetreue Schlägertrupps sind von Press TV als westliche Verschwörungstheorien inszeniert worden. Der Kanal strahlte sogar ein erzwungenes Geständnis des Newsweek-Journalisten Maziar Bahari aus, der wegen Spionage-Beschuldigungen inhaftiert worden war.

Ofcom erwägt die Entziehung der Lizenz für Press TV, nachdem sie in ihrer Untersuchung festgestellt hat, dass der Kanal die Ausstrahlung des Interviews hätte ablehnen müssen, weil sich deutlich herausgestellt hatte, dass es unter Zwang erfolgt war. In Reaktion auf die Ofcom-Ergebnisse hat Press TV behauptet, es sei ein Opfer der „Zensur“ durch „gewisse Mitglieder der königlichen Familie und der Regierung“.

Es handelt sich hier um dasselbe Press TV, dass Nicholas Kollerstroms widerliches Machwerk The Walls of Auschwitz: A Review of the Chemical Studies veröffentlicht hatte und häufig Lady Michelle Renouf zitiert, eine Neonazin und Unterstützerin des Holocaust-Leugners David Irving.

Es wird also höchste Zeit, dass Press TV aus dem Verkehr gezogen wird.

UPDATE

Statt den Lizenzentzug für Ausstrahlungen von Press TV voranzutreiben, hat Ofcom leider nur eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 £ wegen mehrerer Verstöße gegen seine Richtlinien in Bezug auf den Fall Maziar Bahari verhängt. Dazu die Jewish Chronicle:

In seiner Entscheidung erklärte Ofcom die saftige Geldstrafe wegen „der Schwere der Übertretungen“.

„Der Ausschuss vertrat die Ansicht, dass in diesem Fall schwere und vorsätzliche Verstöße gegen den Kodex vorlagen – wegen der gefährlichen Begleitumstände für den Kläger Bahari, das Fehlen von Maßnahmen zu [s]einer Einverständniserklärung und des Einflusses, den der Sender auf ihn ausübte“, so in der Begründung.

Das Ofcom-Urteil beinhaltete auch, dass die Strafe Press TV dazu animieren solle, „das vorgefundene Material bei zukünftigen Anlässen nicht wieder missbräuchlich neu einzubringen.“

Ofcom gab auch bekannt, dass Press TV zu den Untersuchungen von Ofcom eine Stellungnahme auf seinem Kanal bringen müsse.

Neda und al-Dura: Vergleichbare Ikonen?

23. Juni 2009

HonestReporting Media BackSpin, 23. Juni 2009

Neda Agha-Soltan, die 27-jährige Frau, die von iranischen Sicherheitskräften erschossen wurde, ist zu einer mächtigen Ikone in der Demokratiebewegung geworden. Ihr Sterben wurde von Amateurvideos festgehalten, auf YouTube veröffentlicht und verursachte Empörung im Iran und weltweit.

Nun sehe ich, dass Neda mit einem anderen so genannten „Märtyrer“ verglichen wird – Mohamed Al-Dura. Die Financial Times ganz unverblümt:

Das Video über einen palästinensischen Mann, der im Jahr 2000 neben seinem 12-jährigen Sohn Muhammad Jamal Al-Durrah, von israelische Streitkräften erschossen wird, hat sich im Gedächtnis vieler Iraner eingegraben, da das Staatsfernsehen fortwährend die Bilder brachte, um die „Brutalität des zionistischen Regimes“ zu betonen.

Jetzt ist das islamische Regime selbst Gegenstand ähnlicher Beschuldigungen im eigenen Land und weltweit geworden, nachdem ein Video vom grausamen Sterben einer jungen Frau während der Niederschlagung des Oppositionsprotestes am Samstag im Internet verbreitet worden war.

Die Behauptung, dass die IDF Dura getötet hat, ist inzwischen widerlegt. Hier eine kleine Auswahl aufschlussreicher Enthüllungen zur Entwicklung:

• Die technischen Nachuntersuchungen eines Physikers und Ingenieurs warfen erste Fragen.auf.

• Die deutsche Dokumentation Three Bullets and a Dead Child kam zu dem Schluss, dass Dura nicht durch IDF-Feuer getötet worden sein konnte.

• James Fallows von The Atlantic kam zu dem Ergebnis, dass Israel nicht auf Dura geschossen haben kann.

Zwei unabhängige Journalisten, die eingeladen worden waren, das unveröffentlichte Video in seiner Gesamtlänge zu begutachten, kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass Dura nicht durch IDF-Feuer getötet worden war.

Das französische Berufungsgericht urteilte, dass Philippe Karsenty rechtmäßig handelte, als er das France 2-Video zu Dura eine Täuschung nannte, nachdem Charles Enderlin (France 2) Karsenty wegen Verleumdung verklagt hatte.

So lange nicht nachgewiesen werden kann, dass Neda von Demonstranten entweder zu Propagandazwecken getötet wurde oder ihr Tod vorgetäuscht wurde – kaum vorstellbar – sollte man sie nicht mit Al-Dura-Vergleichen in den Dreck ziehen.

Ein Vorschlag, um dem Ikonenvergleich ein Ende zu bereiten: Benennt die Mohammad Dura Street in Teheran auf Nedas Namen um.