Die palästinensischen Flüchtlinge: 1948 bis heute
Chaim Lax, HonestReporting, 9. März 2023
In den Diskussionen über den Jahrzehnte andauernden arabisch-israelischen Konflikt ist eines der am heftigsten diskutierten Themen da der palästinensischen Flüchtlinge.
Selbst heute, fast acht Jahrzehnte nach dem palästinensischen Exodus, wird das Thema der Flüchtlinge weiter auf akademischen Konferenzen untersucht, in wissenschaftlichen Texten analysiert und von Mainstream-Medienorganisationen porträtiert.
Aber wie viel weiß der Durchschnittsmensch trotz der fortgesetzten Aufmerksamkeit, die den palästinensischen Flüchtlingen gegeben wird, von den Komplexitäten und Kontroversen rund um dieses Thema?
In diesem Text werden wir einen Blick auf die Herkunft der palästinensischen Flüchtlinge, ihre fortgesetzte Ausnutzung aus politischen Gründen und ihren einzigartigen Status gegenüber anderen Flüchtlingsbevölkerungen werfen.
Wer sind die palästinensischen Flüchtlinge?
Die palästinensischen Flüchtlinge sind palästinensische Araber, die von Ende 1947 und Anfang 1949 aus dem britischen Mandate Palästina/dem Staat Israel (freiwillig oder mit Zwang) evakuiert wurden.
Der palästinensische Exodus begann nach der UNO-Abstimmung zugunsten der Teilung am 29. November 1947, als die jüdische Gemeinschaft die Zweistaaten-Idee akzeptierte und die die arabische Welt sie gewalttätig ablehnte.
Diese erste Welle bestand in erster Linie aus wohlhabenden Palästinensern, die ihre Häuser in Erwartung einer gewalttätigen Konfrontation zwischen den jüdischen Einwohnern des britischen Mandats und der arabischen Mandatsbevölkerung sowie Arabern aus den umgebenden Staaten. Diese palästinensischen Araber nahmen an, dass die Juden rasch überwältigt würden und dass sie in der Lage sein würden nach einem schnellen arabischen sieg zurückzukehren.
Bis Januar 1948 nahm die Zahl der palästinensischen Araber, die in die benachbarten arabischen Länder flohen, so rapide zu, dass der palästinensische Hohe Arabische Rat forderte, diese Länder sollten ihre Grenzen verschließen, um den Strom der palästinensischen Emigranten einzudämmen.
Als das britische Mandat zu Ende ging und palästinensische Juden und palästinensische Araber um die Kontrolle der von den Briten verlassenen Gegenden kämpften, flohen immer mehr palästinensische Araber vor den Kämpfen, indem sie die Grenzen zu den benachbarten arabischen Ländern überquerten.
Vor der Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 waren schätzungsweise 200.000 Araber aus dem britischen Mandat geflüchtet.
Nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung und dem folgenden Unabhängigkeitskrieg verließen weitere 300.000 palästinensische Araber den entstehenden jüdischen Staat.
Am Ende des Krieges blieben etwa 160.000 palästinensische Araber innerhalb des neu gegründeten Staats Israel und erhielten die volle Staatsbürgerschaft.
Was verursachte die palästinensische Abwanderung?
Anders als manche glauben mögen, gab es keine Einzelursache für die Abwanderung der Palästinenser von 1947 bis 1949.
Das Folgende sind ein paar der Gründe dafür, dass palästinensische Araber in diesem Zeitraum ihre Häuser verließen:
- Wie schon erwähnt, verließen ursprünglich einige palästinensische Araber ihre Häuser, um die anstehende gewalttätige Konfrontation zwischen den palästinensischen Arabern und den jüdischen Gemeinden zu vermeiden.
- Einige palästinensische Araber flohen während der Kämpfe zwischen Arabern und jüdischen/israelischen Kräften aus ihren Dörfern.
- Einige palästinensische Araber fohlen aufgrund von Gerüchten über israelische Gräueltaten (diese Gerüchte wurden getrennt voneinander durch arabische Propagandisten wie auch von Israelis als Form der psychologischen Kriegsführung verbreitet).
- Einige palästinensische Araber flohen auf Geheiß arabischer Militärführer, die ihre Rückkehr nach einem schnellen Sieg versprachen.
- Einige palästinensische Araber flohen aus Angst davor als Verräter bezeichnet zu werden, wenn sie im entstehenden jüdischen Staat verbleiben würden.
- Einige palästinensische Araber wurden von jüdischen/israelischen Kräften aus ihren Häusern gezwungen, was an ihrer Lage in militärisch strategischen Bereichen lag.
Wie viele Palästinenser flohen von 1947 bis 1949?
Aktuell gibt es keinen Konsens darüber, wie viele palästinensische Araber von 1947 bis 1949 aus der Region flohen.
Die geschätzte Zahl der ursprünglichen palästinensisch-arabischen Flüchtlinge reicht von 450.000 bis 500.000 (laut eines Berichts der UNO und israelischer Quellen) bis zu 750.000 (laut UNRWA), wobei einige sogar von mehr als einer Million reden.
Teil des Grundes, dass die Zahl der ursprünglichen palästinensischen Flüchtlinge nicht definitiv bekannt ist, besteht darin, dass einige jordanische und libanesische Einwohner als palästinensische Flüchtlinge registriert wurden, arabische Nomaden-Beduinen sich als Flüchtlinge registrieren ließen und einige Flüchtlinge mehr als einmal als Flüchtlinge registriert wurden, während sei von einem Flüchtlingslager zum nächsten zogen.
Die ewigen Flüchtlinge: Die politische Manipulation der palästinensischen Flüchtlinge
Die Schaffung der palästinensischen Flüchtlinge war kein einzigartiges Kapitel in der Weltgeschichte, wobei die späten 1940-er Jahre die Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen in Indien/Pakistan, Osteuropa und China erlebten.
Was die palästinensischen Flüchtlinge von denen anderer Flüchtlingsbevölkerungen unterscheidet, ist, dass die Palästinenser bis heute ihre Flüchtlingsstatus beibehalten und ihnen nie erlaubt worden ist sich voll in die Nachbarländer zu integrieren, in die sie flohen.
Während des palästinensischen Abwanderung flohen zwei Drittel in die nahegelegene Westbank (unter jordanischer Kontrolle) und den Gazastreifen (unter ägyptischer Kontrolle), während der Rest in die benachbarten Länder Jordanien, Libanon und Syrien floh.
Diese gerade bei ihrem Versuch Israel zu vernichten besiegten arabischen Staaten betrachteten die palästinensischen Flüchtlinge als mächtiges politisches Mittel in ihrem Kampf gegen den entstehenden jüdischen Staat.
Heute, fast acht Jahrzehnte später, leben viele der Nachkommen dieser „Flüchtlinge“ in denselben Flüchtlingslagern leben und weiter denen als politische Mittel dienen, die Israels Vernichtung anstreben.
Genauso wird selbst heute Palästinenser in Syrien weder die Staatsbürgerschaft noch Stimmrechte gewährt werden, während denen im Libanon von viele Berufe verboten werden, keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten und öffentliche Schulen haben und ihnen Landbesitz verboten ist.
Das einzige Land, das seiner palästinensischen Bevölkerung die Staatsbürgerschaft gab, war Jordanien, nachdem es 1949 die Westbank erobert.
Gleichzeitig mit der palästinensischen Abwanderung entwickelte sich eine jüdische Flüchtlingskrise im britischen Mandat/Staat Israel. Tausende Juden (Schätzungen reichen von 10.000 bis 70.000) flohen und wurden von arabischen Streitkräften aus jüdischen Gemeinden wie dem Etzion-Block, der Altstadt von Jerusalem und Beit Ha’Arava vertrieben, während hunderttausende Juden wegen Verfolgung in einer Vielzahlt nordafrikanischer und Nahost-Länder in den entstehenden jüdischen Staat flohen.
Diese jüdischen Flüchtlinge wurden allerdings von der israelischen Regierung rasch angesiedelt und wurden zu voll integrierten Bürgern.
Folglich entwickelten sich zwar zwei Flüchtlingsprobleme zum Ende des britischen Mandats und die Gründung, aber das jüdische Flüchtlingsproblem wurde von der neu gegründeten israelischen Regierung rasch gelöst, während die palästinensischen Flüchtlinge von ihrer politischen Führung und den Führungen ihrer arabischen Nachbarstaaten dazu verurteilt worden sind ewige Flüchtlinge zu bleiben, die in einem abenteuerlichen Kampf gegen den jüdischen Staat als politisches Druckmittel dienen.
Der einzigartige Status der palästinensischen Flüchtlinge
Im Dezember 1949 wurde von der UNO-Vollversammlung die United Nations Relief and Works Agency (UNRWA) als Mittel gegründet, mit dem den von der Gewalt während der letzten Tage des britischen Mandats und des israelischen Unabhängigkeitskriegs vertriebenen palästinensisch-arabischen und den jüdischen Flüchtlingen Dienstleistungen geboten werden sollten.
Allerdings hatte die israelische Regierung bis 1950 die volle Verantwortung für die jüdischen Flüchtlinge übernommen und die Aufmerksamkeit der UNRWA konzentrierte sich vollständig auf die palästinensisch-arabischen Flüchtlinge in der Westbank, dem Gazastreifen, Jordanien, Syrien und dem Libanon (einschließlich derer, di ein den Flüchtlingslagern lebten).
Nach Angaben der UNRWA wird ein palästinensischer Flüchtling als jemand definiert, der zwischen 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 (dem Tag nach der Gründung des Staates Israel) im britischen Mandat Palästina gelebt hatte und durch den Konflikt heimatlos geworden war.
Damit muss jemand, um Flüchtlingsstatus zu beanspruchen, nur eine kurze Zeit im britischen Mandat Palästina gelebt haben.
Zusätzlich gewährt diese Definition auch Flüchtlingen den Status, die nicht im Land waren, aber nicht in ihre Heime zurückkehren konnten.
Was die palästinensischen Flüchtlinge von den meisten andern Flüchtlingsbevölkerungen unterscheidet, sind die Sonderzuteilungen, die ihnen die UNRWA gewährt.
Für die meisten internationalen Flüchtlinge, deren Status vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) festgelegt wird, gilt der Flüchtlingsstatus für die heimatlose Person und kann auch den unmittelbaren Familienmitgliedern als Teil der „Familieneinheit“ gewährt werden.
Unter den Sonderregelungen, die den palästinensischen Flüchtlingen von der UNRWA-Resolutionen 1965 und 1982 gewährt wurden, wird hingegen den Nachkommen aller männlichen palästinensischen Flüchtlinge automatisch Flüchtlingsstatus gewährt. Das schließt Enkel (was unter dem UNHCR nicht gilt) und adoptierte Kinder ein.
Zusätzlich müssen die ursprünglichen Flüchtlinge nicht am Leben zu sein, damit ihren Nachkommen Flüchtlingsstatus verliehen wird. Diese Zuteilung gibt es beim UNHCR nicht.
Ein weiterer Unterschied zwischen palästinensischen Flüchtlingen und anderen Flüchtlingen ist der, dass der UNHCR nur die zulässt, denen keine Staatsbürgerschaft gewährt wurde oder die Rechte eines Staatsbürgers (selbst ohne Staatsbürgerschaft) gegeben wurden, an ihren Fluchtorten Flüchtlingsstatus geltend zu machen.
Das gibt es aber unter der Definition eines palästinensischen Flüchtlings der UNRWA nicht.
Damit wird ein in Jordanien mit jordanischer Staatsbürgerschaft lebender palästinensischer Flüchtling immer noch als palästinensischer Flüchtling betrachtet.
Und so behält ein palästinensischer Flüchtling, der unter der PA in der Westbank oder dem Gazastreifen lebt und nicht anders behandelt wird, als die Nichtflüchtlings-Bevölkerung, seinen Flüchtlingsstatus immer noch bei.
Dass 80% der registrierten palästinensischen Flüchtlinge im Gazastreifen, der Westbank und Jordanien leben, bedeutet, dass ein gewaltiger Anteil derer, die Flüchtlingsstatus beanspruchen, das nur unter der UNRWA tun können, nicht unter dem maßgebenden UNHCR.
Nach den Bemühungen von HonestReporting verkündete die amerikanische Regierung im Januar 2021, dass noch etwa 200.000 palästinensische Araber, die in den 1940-er Jahren heimatlos wurden, am Leben sind, weit weniger als die über fünf Millionen (!) palästinensischen Flüchtlinge, die UNRWA weiter mit mehr als einer Milliarde Dollar an internationalen Geldern unterstützt.
Die aufgeblasene Zahl der palästinensischen Flüchtlinge bereiten nur den Staaten Sorge, die derzeit die UNRWA finanzieren.
Da die Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge eines der Themen ist, das laut Oslo-Vereinbarungen durch eine Endstatus-Vereinbarung gelöst werden soll, ist es wichtig, dass eine sichere Anzahl von Flüchtlingen festgestellt wird, damit es Verhandlungen in gutem Glauben zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde gibt.
UNRWAs Behauptung von mehr als fünf Millionen Flüchtlingen scheint die jüngste zynische Manipulation der Frage der palästinensischen Flüchtlinge und eine Bemühung zu sein die Sicherheit und Interessen des Staats Israel zu untergraben.
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